Die Reisen des Admiral Cannabis Folge 4: Auf gen Agadir "Liebe Beate, wenn Du diese Zeilen liest, bin ich vermutlich schon tot. Bitte, bleib gesund, ich melde mich. Dein Karlheinz." Diesen Zettel verstecke ich im Küchenschrank, zwischen der Caro-Dose und den Brühwürfeln. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich in den Keller, wo be- reits meine Reisetasche auf mich wartet. Durch den Nebeneingang der Garage verlasse ich das Grundstück und mache mich auf den Weg zur Autobahnraststätte Sauerland. Der Mond leuchtet mir voll und hell den Weg durch die Felder und Wiesen. Es ist arschkalt. Wohin ich reise, wird das nicht so sein. Agadir an der marokkanischen Westküste hat genau 2 Regentage und über 350 öffentliche Badehäuser. Doch ist es wie schon so oft ein schmerzvoller Abschied, als ich endlich einen Trucker getroffen habe und mit 15000 Litern Buttersäure auf der Achse das Sauerland verlasse. Als wir in Malaga an- kommen, kenne ich Haralds vier Tom Astor-Tonbänder auswendig. Ich bedanke mich bei ihm mit einer peruanischen Kopfhautmassage und einem Krümel Olpener Schimmelafghan. Der Weg nach Algeciras ist weit und strapaziös, doch kämpfe ich gegen Erschöpfung und Tapferkeit müdig an, wie ich es auf der Kaiserlichen Marine- fakultät zu Rostock gelernt habe. Damals war Tirpitz noch "King of the Ost- see", und seine Heldentaten spornten uns zur Höchstleistung an. "Mit einem klaren Ziel vor Augen ist jede Wand doppelt so hoch" zitierte Tirpitz Graf Spee, einen Taktiker, der sich zu recht vor seinen Befehlen fürchtete und doch stets die Brücke im Griff behielt. Über seine Aussprüche mag man geteilter Meinung sein, aber sie dienten unseren Spießen prächtig dazu, in unseren stürmischen Halbstarkenhirnen einige Verwirrung und Verängstigung auszulösen. Dieses gesunde Stück von Verwirrung habe ich mir über all die Jahre erhalten können, und es sind Momente wie diese, wo ich davon zehre. Meine staubtrockene Zunge scheint in der flirrenden Mittagshitze der Agarve hinwegzubröseln. Das Zirpen der Zikaden bohrt sich langsam seinen Weg vom einen Ohr ins andere, und das Bluna-Schild in der Ferne kommt mir vor wie eine Verhöhnung all dessen, was man sich unter staubtrockener Wildnis gemeinhin vorstellt. Auch die gußeisernen Parkbänke, die von Zeit zu Zeit den Wegrand säumen, laden nicht zum Verweilen ein, erreichen sie in der prallen Sonne Südspaniens doch Temperaturen von über 50 Grad. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich will ja schließlich noch diese Woche in Agadir ankommen, wo zum 46. Mal die Jahrestagung der alliierten Kraftmeier stattfindet. Die alliierten Kraftmeier sind ein illustrer Verein aus Staatschefs, Hobbygeologen, Diplomdemagogen und anderem Gesocks. Ich bin erstmals dabei, als bestellter Beobachter und Gutachter auf dem Gebiet der holistischen Psychoakustik. Leider vergaß der Veranstalter, für die Anreise der Teilnehmer zu sorgen. Es ist schon spät am Abend, als ich Gibraltar erreiche. Die letzte Fähre nach Ceuta über die Meerenge, die die Franzosen "Détroit de Gibraltar" nennen und das Britische Empire als sein Eigentum betrachtet, ist schon vor geraumer Zeit abgefahren. In einer schlichten Kellerbar am Hafen treffe ich jedoch drei böhmische Getreideschmugglerinnen, die mich einladen, sie auf ihrem Schoner zu begleiten, der versteckt vor einer dunklen Bucht wartet. Nach einem gepflegten Schwof brechen wir auf. Irina und Slavka helfen mir über die Reling, und die braunschwarz salzverkrusteten Hanfsegel werden gesetzt. Es tut gut, mal wieder das Wanken zu verspüren, das mir noch aus meiner aktiven Zeit als angenehmes Gefühl des ewigen Dahinpendelns vertraut ist. Peinlich berührt mich der Wunsch des algerischen Kapitäns nach einem Autogramm, doch ohne zu zögern verpasse ich ihm ein blaues Auge, an das er noch lange zurückdenken wird. Erschöpft falle ich in die Getreidesäcke und bin tot. Am nächsten Morgen werde ich durch ein ohrenbetäubendes Knarren geweckt. Das Schiff ist auf Grund gelaufen. Ich ziehe meinen orientalischen Morgenmantel über und gehe an Deck. Die Mannschaft steht ratlos an der Steuer- bordreling. Ich begrüße den Kapitän mit einem markigen "Hallodrio, alter See- hase. Wohl noch einen im Tee von letzter Nacht, oder was geht ab hier ?". "Die gläsernen Riffe vor Smir sind legendär, ich hab den Kahn halt voll in den Sumpf gesetzt." entgegnet mir der Algerier niedergeschlagen. Ich klopfe ihm auf- munternd auf die Schulter, was zur Folge hat, daß sein Arm auskugelt. Er schaut mich mit Augen an, die jede Hoffnung auf ehrliche Gitarrenmusik verloren ha- ben. Was er mir zu sagen hätte, wäre wohl im Hinblick auf diese Reportage bedeutungslos, so schaut er mich nur lange und andächtig an, bevor er wei- nend zu Boden sinkt und sich auf dem schlammigen Boden des Achterdecks seine Ausgehuniform ruiniert. Sein Anblick wirkt so armselig, daß ich be- schließe, ihn in mein Abendgebet aufzunehmen. Dann kehre ich in meine Kajüte zurück, um zu packen. Das marokkanische Schnellboot, das uns an Land bringt, trägt das Siegel der Königlichen Küstengarde, und die Fenster des Busses, der uns empfängt, sind vergittert. Ich brauche zwei Stunden, um dem Polizeichef von Tanger klarzumachen, daß ich eine Person von ausgezeichnetem Rang bin und mit dem kleinen Schmugglersyndikat nichts zu tun habe. Was ihn letzten Endes überzeugt, ist ein Anruf im Palast der königlichen Familie, den ich ihm vorschlage. Der Bruder des marokkanischen Königs ist der Schwager von Annette, die daheim in unserer Feriensiedlung zwei Häuser weiter eine Lottoannahmestelle betreibt, und so waren auch Beate und ich schon mehrfach zu Empfängen nach Marrakesch eingeladen worden. Ein schmieriger dicker Lieutenant reicht mir mein Gepäck, und ich schlendere los in Richtung Larache auf der Straße nach Süden. Ein obskures Wesen kommt mir im dämmernden Küstenlicht entgegengewankt. Es ist ein Hanfbauer aus dem Hochland des Jebala, vollgepackt mit Säcken voll Gras für den abendlichen Basar. Ich entschließe mich, dem alten Mann zu helfen und erleichtere ihn um einen 5-Kilo-Sack edlen Hochgewächses, natürlich gegen eine kleine Unkostenerstattung von 50 Mark, die mir der Alte jedoch gerne gibt. Kurz hinter Larache schlage ich in den Dünen mein Nachtlager auf. Die vierzig Grad der Mittagshitze kommen mir jetzt in der kalten Atlantikluft etwas unwirklich vor, doch das Kraut der Götter versöhnt mich mit derlei Unbill. In der Ferne heben sich die auslaufenden Ozeanriesen wie behäbige Monster vom flammendroten Abendhimmel ab. Ich grille mir noch ein paar schlesische Senfgurken und schlafe über der Glut ein. Lesen Sie in der nächsten WILD die Fortsetzung: Salsa in Salé - Abduls Megabong - Die Töchter des Tankwarts. Freuen Sie sich schon jetzt auf den neuen Admiral Cannabis. (c)1996 Wildpop.de