Die Reisen des Admiral Cannabis Folge 3: Ein Pilz zuviel Ich erwache auf einer leichten Anhöhe am Fuße eines großen Ahorns. Unter mir erstreckt sich eine prachtvolle Wiesenlandschaft, die befleckt ist von Inseln kleiner Haine. Die heiße Sommerluft bahnt sich ihren Weg durch meine ahornsirupverkrusteten Nüstern. Auf einem kleinen Zweig landet ein Donpfpaff. Nachdem er mich eine Weile gemustert hat, stimmt er ein fröhliches Liedchen an. Nachdem ich ihm eine Weile zugehört habe, biete ich dem Donpfpaff eine Hälfte meines Pausenbrotes an, das meine Frau Beate in liebevollster Weise mit Senfhäubchen und Radieschenspiralen garniert hat. Als unser petit déjeuner beendet ist, reicht mir der kleine Vogel einige noch kleinere Pilze. Er warnt mich ausdrücklich davor, alle auf einmal zu essen, und rät mir, niemals dabei allein zu sein, da ich sonst Angst bekommen könnte, und das wolle er mir ja wirklich ersparen. Ich entschließe mich, mit siebzig Stück zu beginnen. Die Pilze schmecken wie tausendfach plattgemachte Asphaltkaugummis, doch als ich mir vorstelle, wie siebzig platte Kaugummis von einem Räumtrupp in der flirrenden Hitze der nevadischen Hochwüste von der Straße gekratzt werden, überfällt mich die Melancholie des einfachen Arbeiters, und ich stimme eine kleine Weise von Tony Christie an. Mein kleiner Freund ist jetzt größer geworden. Er nervt mich etwas, da er mir die Sonne nimmt, also bitte ich ihn, doch einen Schritt zur Seite zu treten. Huch! Was ist nun los? Der kleine Donpfpaff bekommt lange, tödliche Krallen, blutrot funkelnde Augen, riesige, messerscharfe Reißzähne und eine schöne, enge Lebensversicherung. Da hab ich mich ja fast erschreckt. Wie gut, daß niemand mitgekriegt hat, wie ich geblinzelt habe. Blitzschnell winde ich mich seitlich aus der Todesfalle und lande geradewegs auf der Straße nach Bürgel. Eine blutjunge schwedische Trappistin wankt mir entgegen und fragt mich nach Trips. Da ich nicht zu unterscheiden vermag, ob das verkommene Luder wirklich vier Titten und zwei Arschlöcher hat, oder ob dieser Eindruck auf den Verzehr der Orbitpilze zurückzuführen ist, entgegne ich ihr reserviert, aber höflich "Verpiß dich" und wende mich der Hausarbeit zu. Das Spülbecken ist schon wieder verstopft. Ich also ins Bad, den Klopumper geschnappt, und auf geht's. Das faulige Wasser steht im Becken zwanzig Zentimeter hoch. Fischteile treiben auf der öligen Oberfläche. Ein undankbarer Job. Nach dem dritten Pumpstoß halte ich inne, da ein leises Wimmern an mein Ohr dringt. Es kommt unverkennbar aus dem Unterschrank. Behutsam öffne ich die Tür und erblicke -- nichts! Aber auch überhaupt gar nichts. Dieser Schrank ist so leer wie der Kopf meiner Anvertrauten. Aber das Wimmern ist immer noch vernehmbar, hell und leidend wie die Laute eines Fünfjährigen, der langsam verblutet, eingeklemmt in den brennenden Balken einer zusammengestürzten Veranda. Hinzu kommt jetzt auch noch ein Kratzgeräusch, das ich sekundenschnell hinter der Einbauküchenunterschrankrückwand lokalisiere. Ich rufe Fred an. Fred ist Versicherungskaufmann und eine alte Tunte, aber von seinen Kollegen weiß das niemand. Auch ich bin erschrocken, als wir hier in die Feriensiedlung zogen, und ich Fred zum erstenmal erblickte. Er saß in der Hollywoodschaukel auf seiner Veranda, hellgrüner Lederbody, eine Anglerhose mit Schuhen, die um Schwanz und Arschloch ausgeschnitten war, und einen ausgehöhlten Kuheuter inside out über den Kopf gestülpt. Aber das ist nun einmal seine Sexualität. Jedenfalls ist er ein echt dufter Nachbar, und im Sommer grillen wir des öfteren gemeinsam mit Familie. Ich rufe also Fred an, ob er mir seinen Violinbogen leiht (Fred ist ein begnadeter Pianist). Er leiht, und bringt sogar noch eine Freundin mit, die er an der Bushaltestelle kennengelernt hat. Sofort mache ich mich an die Arbeit. Toastbrot, Thunfisch, Krebbel, Käse und Blutwurst - fertig sind die leckeren Schnittchen. Beate ist noch auf dem Rennplatz, aber wenn es darum geht, meine Gäste zu verwöhnen, lasse ich mich nicht zweimal bitten. Während die beiden sich im Whirlpool Schnittchen und Blunts einverleiben, bohre ich mit dem Violinbogen systematisch ein Raster von 1528x856 Löcher in die Einbauküchenunterschrankrückwand. Am Ende puste ich leicht dagegen, und der Rest der Sperrholzplatte zerfällt ebenso zu Staub wie im selben Moment der Magerquark im Kühlschrank, dessen Haltbarkeitsdatum heute auf den Tag genau um sieben Monate überschritten ist, doch das ist eine andere Party. Hinter dem Schrank ist ein Loch. ich beuge mich hinein, dabei verliere ich mein Mallorca-Amulett. Es segelt in die Tiefe. Schade. Doch der Aufprall läßt auf sich warten. Da endlich. Plonk. Es ist auf dem Boden aufgeschlagen. Aus Falldauer, Gewicht des Amuletts, Gravitationskonstante und Heimatgefühl errechne ich eine durchschnittliche Fallhöhe von 13800 miles/cm3. Das bedeutet, daß das Loch verdammt tief und verdammt eng sein muß. Und einen Verdammten Fischgestank hat es auch noch. Ich verweise die rassige Stute von der Haltestelle an einen Chiropraktiker aus meinem Bekanntenkreis, zeige Fred, wo ich die Doppeldildos versteckt habe und springe. Es ist tief. Es gibt Pilze. Orbitpilze. Sie wuchern ringsum an den Wänden. Geschuppte Schafe kommen kaum nach, sie abzugrasen, da sie sich fortwährend übergeben müssen. Durch den graugrünen Kotzfilm wird die Wand besonders glitschig. Ich lande auf einem pulsierenden rosa Knubbelberg, finde keinen Halt und rutsche weiter. Erst ein wulstiges Buschwerk schwarzer, knorriger Äste bremst meinen Fall. Mein Kopf ist noch im Taumel der Sinne, ich muß mich sieben- oder achtmal übergeben, bevor ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann. Die Wolkendecke reißt auf. Langsam sinken Abertausende der Orbitpilze zu Boden. Ein heller Harfenklang begleitet das Spektakel, und - ja, richtig, eine mir wohlbekannte Stimme trällert das Lied von der Wacht am Rhein. Glücklich sacke ich zusammen und bin tot. (c)1996 Wildpop.de