Ein ungewöhnliches Geschenk ¥ von Duane T. Monkfooder Es dunkelte bereits, als ich die schwere Eisentür des Laboratoriums zuschob. Drei Tage und drei Nächte hatte ich damit zugebracht, Organe verschiedener Kleinsäuger zu sezieren und rekombinieren. Gallenbla- sen, Sehnen, Gedärme und Muskelstücke waren überall verteilt, der Boden war rutschig durch vielerlei Ge- webestückchen und Flüssigkeiten. In einer kleinen Pappschachtel verstaute ich das Ergebnis meiner For- schung. Hoffentlich würde Nadine sich darüber freuen. Ich nahm den 87er Bus, die Lincoln Avenue hinunter bis zum Rodenstock Plaza. Dort steuerte ich zielstre- big mein Stammlokal an, Sam´s Hydrophobic Diner. Eine rothaarige Schönheit schob sich an mir vorbei durch die Schwingtür. Der Hauch ihres Parfüms weckte Gelüste in mir, die ich in der verwesenden Laborluft schon fast vergessen hatte. Ich nahm auf einem Barhocker platz, zwischen einem Cop und einem schwulen Junkiepärchen, das apathisch dem Barkeeper beim Gläsertrocknen zusah. „Hi, Chuck. Wie immer ?“, fragte Sam mit seinem unnachahmlichen tschetschenischen Akzent. „Das übliche, Sam“, gab ich gelangweilt zur Antwort. Aus den Augenwinkeln spürte ich den musternden Blick des Bullen, ein hektischer Anfänger, der mir auf Anhieb unsympathisch war wie die meisten seines Fachs. Hoffentlich würde er die Fresse halten. Sam stellte mir einen dreifachen Four Roses vor die Nase. „Siehst ja nich grad fit aus heut´ nacht, Chuck“, versuchte der Tschetschene zu artikulieren, „Streß mit Na- dine?“. „Was schert´s dich?“ raunzte ich, ohne ihn anzusehen. Das reichte, und Sam trollte sich. Ich spülte den Whiskey in einem Zug runter. Mein Magen brannte fürchterlich. Kein Wunder, war ja seit drei Tagen leer. Jetzt fing der Cop an zu labern. „Na, Mister, neu in der Stadt?“ Ich packte blitzartig mit beiden Händen seinen Kopf und drehte ihm das Gesicht auf den Rücken. Er konnte nicht einmal mehr röcheln. Wie ein nasser Sack rutschte er vom Hocker. Jetzt hatte ich das Junkiepärchen aus seiner Agonie geweckt. „Eh, cool, Mann. Endlich mal einer, der handelt.“, flötete der Tripschwuchtel. Die anderen Gäste hatten irgendwie gar nichts mitgekriegt. Sam schleifte den toten Cop zusammen mit dem Barkeeper in die Küche. Ich klebte eine Hundertdollarnote auf den versifften Tresen, nahm mein Päckchen und verdrückte mich. Mein Magen schmerzte noch immer, also holte ich mir beim Koreaner an der Ecke einen Hot Dog, die einzigen in der Stadt, wo auch Hunde drin sind. Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen. „Nadine, Darling ? Ich bin wieder da...“ Keine Antwort. Ich knipste das Flurlicht an. Ihr Mantel hing da, und noch ein weiterer, den ich nicht kannte, schwerer Cashmere mit einem billigen Stierkämpferparfüm. Mein Puls schnellte in die Höhe. Leise zog ich meine Jacke und die Schuhe aus und ging den Flur hoch Richtung Küche, angestrengt in die Stille lau- schend. In der Küche lag eine halbabgelutschte Stinkzigarre zwischen zwei Sektgläsern. Ich nahm ein Bud aus dem Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief, australische Cricketliga ohne Ton. Ich setzte mich auf die Couch und legte die Füße auf den Tisch. Was sollte ich tun? Plötzlich ein Geräusch. Die Klospülung, danach ein Türschlagen. Sie waren im Schlafzimmer. Ich überlegte krampfhaft. Mein Blick fiel auf die Pappschachtel, die ich immer noch in der Hand hielt. OK, Nadine, wenn nicht so, dann so. Ich trank in aller Ruhe das Bier aus. Dann ging ich zur Schlafzimmertür und horchte. Ein glucksendes Ki- chern, ein wohliges Grunzen, ein eindeutiges Schmatzen. Es war keine drei Wochen her, da hatte sie mir mit Hundeaugen versichert, daß ich für immer und ewig der einzige sei. Leere Worte einer triebhaften Schlampe. Durchs Schlüsselloch erkannte ich ihre weißen Knie, beiseitegedrückt von einem schwarzen Muskelberg. „Gnnnh, mmh, aaah“. Es war einfach zum Kotzen. Vorsichtig drückte ich die Klinke hinunter und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Ich schob die Pappschachtel möglichst weit in den Raum, öffnete sie und beeilte mich, die Tür wieder zu schließen. Ich ging in die Küche und holte den Schlafzimmerschlüssel aus der Schublade. Schnell zurück scherte ich mich nicht mehr um Lärm und schloß das Schlafzimmer von außen zu. „Chuck?“ Nadine hatte mich gehört. Der Fickhengst grunzte immer noch. Ich schnappte mir die Fernbedienung, stellte einen Heimatfilm an und den Ton ganz laut. Die Türklinke wurde heruntergedrückt, vergebens. Klopfen, dann ein Schrei. „Iiiiiiiihhhh!“ Erschrecken. Ich stellte den Fernseher noch lauter. Jetzt schrien sie im Duett, immer heftiger, nicht mehr erschreckt, sondern panisch, schmerzverzerrt, wie von Sinnen. Klopfen und Rütteln an der Tür ließen mich kalt. Beim Bier bin ich halt Genießer. Nach einer Vier- telstunde verstummten die Schreie. Ich stellte den Ton wieder normal. Ab und an noch ein Scharren, Schmatzen und Knacken. Nach einer weiteren halben Stunde stand ich auf und öffnete vorsichtig die Tür. Von meiner kleinem Schlampe und ihrem Stecher war nicht viel mehr übrig als ein fleischiger, zerrissener Berg zuckender Kör- permasse. Mein kleiner Helfer hatte gute Arbeit geleistet. Selbst an den Wänden und der Decke klebten Blut und Hirnmasse, Haarbüschel und Knochensplitter. Die Wohnung konnte ich jetzt wohl vergessen. Ich packte meine Sachen, legte die kleine Pappschachtel ganz oben in den Rucksack und verließ das Appar- tement. Es wurde schon wieder hell. Mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen schlenderte ich in Richtung Greyhound-Station.